Erinnern Sie sich noch an die Herren Thales, Anaximenes, Heraklit und Empedokles? In der Zeit von 624 bis 435 v. Chr. haben sie gelebt, und wer sie nach den Elementen fragte, bekam zur Antwort: Feuer, Erde, Wasser, Luft. Eine überschaubare Menge. Ganz anders das heutige Periodensystem der Elemente mit insgesamt 118 bekannten Mitgliedern. Allerdings sind davon nur die ersten 80 stabil, und die Elemente ab Nummer 94 können gar nur künstlich hergestellt werden.
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Das einfachste Element ist der Wasserstoff: ein Proton, um das ein einsames Elektron kreist. Na ja, das mit dem Kreisen war einmal, zu Zeiten des Physikers Niels Bohr (Okt. 1885 – Nov. 1962). Heute, im Zeitalter der Quantenphysik, spricht man davon, dass sich das Elektron mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit an unterschiedlichen Orten um den Atomkern aufhält. Doch das Elektron interessiert jetzt nicht, reden wir über das Proton. Obwohl das Proton neben dem Neutron zu den Kernbausteinen zählt, aus denen die Atomkerne aufgebaut sind, ist es kein Elementarteilchen. Elementarteilchen sind, wie der Name schon sagt, elementar und nicht weiter teilbar. Die Elementarteilchen, aus denen sich Protonen und Neutronen zusammensetzen, heißen Quarks. Insgesamt kennt man sechs unterschiedliche Quarks und die entsprechenden Antiteilchen. Von diesen 12 Quarks nutzt die Natur jedoch nur zwei zum Aufbau der Materie, das up- und das down-Quark. Und da das up-Quark mit 2/3 der Elementarladung e = 1,602 × 10-19 Coulomb positiv geladen ist, das down-Quark aber eine negative Ladung von minus 1/3 e trägt, müssen beim Proton zwei up- und ein down-Quark zusammenkommen damit dieser Kernbaustein nach außen die bekannte positive Ladung e zeigt. Somit scheint die Struktur des Protons geklärt (siehe Abbildung).
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Doch wenn Sie jetzt fragen, warum die drei Quarks nicht einheitlich gezeichnet sind, sondern unterschiedliche Farben haben, ja dann wird es etwas kompliziert. Quarks kommen nicht nur in unterschiedlichen „Geschmacksrichtungen“ (Flavour) vor, vielmehr trägt jedes Quark eine „Farbladungen“: Rot, Grün oder Blau. Das heißt jetzt nicht, dass diese Farben beobachtbar sind! Man könnte sie als Quantenzahlen der Quarks bezeichnen, so wie z. B. die Elektronen in einem Atom nach den vier Quantenzahlen n (Hauptquantenzahl), l (Nebenquantenzahl), m (magnetische Quantenzahl) und s (Spin-Quantenzahl) geordnet sind.
Farbladungen können niemals einzeln auftreten. Daraus erklärt sich auch, dass Quarks nicht als singuläre Teilchen beobachtbar sind, sondern nur zu mehreren zusammengeschlossen: zu einem Materieteilchen, einem Hadron, z.B. einem Protonen, Neutronen oder einem Meson. Nach außen tragen diese Teilchen die Farbladung Null, oder anders ausgedrückt, die Materie ist „weiß“. Aus Rot Grün und Blau lässt sich Weiß nur durch eine Überlagerung der drei Farben erzeugen. Folglich müssen in Teilchen, die aus drei Quarks aufgebaut sind, das sind die Baryonen, je ein Quark der Farbe Rot, Grün und Blau zusammenkommen.
Bei den Antibaryonen, den Antiteilchen der Baryonen, treten an die Stelle der Quarks Antiquarks und an Stelle der Farben Rot, Grün und Blau natürlich die Antifarben Anti-Rot (Cyan), Anti-Grün (Magenta) und Anti-Blau (Gelb), deren Mischung ebenfalls Weiß ergibt. Aber es gibt auch aus einem Quark und einem Antiquark aufgebaute Teilchen, z.B. die Mesonen. In diesen Teilchen sorgt die Mischung einer Farbe mit ihrer Antifarbe für die Farbladung Null.
So weit, so gut. Aber das ist noch nicht alles. Was sind das für „Federn“, die im ersten Bild die drei Quarks zu verbinden scheinen? Diese Gebilde symbolisieren die starke Kernkraft, welche die Quarks aneinander bindet. So wie bei der elektromagnetischen Wechselwirkung die als Austauschteilchen fungierenden Photonen die Kraft zwischen zwei elektrisch geladenen Teilchen vermitteln, so wird auch die starke Kernkraft durch Austauschteilchen, die man sinnigerweise Gluonen, also Leim nennt, übertragen. Insgesamt kennt man acht Gluonen, und alle sind Träger einer Farbe und einer Antifarbe. Sechs davon sind farbwechselnde Gluonen, also solche mit einer anderen Farbe als die Antifarbe, z.B. Rot und Anti-Grün, und zwei sind farbneutral, d.h. von gleicher Farbe und Antifarbe, z.B. Blau und Anti-Blau.
Gluonen wirken nur auf Teilchen, die eine Farbladung tragen, und da sie selbst auch Träger einer Farbladung sind, können sie auch mit Ihresgleichen in Wechselwirkung treten und sich dabei ineinander umwandeln. Bei der Wechselwirkung zwischen zwei Quarks kommt es darauf an, ob die Kraft durch ein farbwechselndes oder ein farbneutrales Gluon übertragen wird. Farbwechselnde Gluonen tauschen die Farben der beteiligten Quarks aus, bei farbneutralen bleiben die ursprünglichen Farben erhalten. Bei all diesen Prozessen wird jedoch stets Energie und Impuls von dem einen auf das andere Quark übertragen.
Nach dieser langen „Einleitung“ nun aber zurück zu unserem Proton und zu den Neuigkeiten, „wie´s da drinnen aussieht“. Am 15. Juni 2015 veröffentlichte das Deutsche Elektronensynchrotron (DESY) die im Rahmen einer 15 Jahre langen Messkampagne gewonnen Erkenntnisse zur inneren Struktur und zum Verhalten des Protons. Zwei Gruppen von Teilchenphysikern haben diese Ergebnisse an Deutschlands größtem Teilchenbeschleuniger HERA in Hamburg erarbeitet.
HERA = Hadron-Elektron-Ring-Anlage (Bildcredit: DESY)
Geht es nach Joachim Mnich, dem Forschungsdirektor von DESY, so „beinhaltet die Publikation die Kronjuwelen von HERA und wird auf lange Zeit das präziseste Bild des Protons sein“. Bei dem Teilchenbeschleuniger HERA (Hadron-Elektron-Ring-Anlage) handelt es sich um einen 6,3 Kilometer langen Doppelring mit supraleitenden Umlenkmagneten. Im oberen Ring werden Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und dann mit den in entgegengesetzter Richtung im unteren Ring umlaufenden Elektronen oder deren Antiteilchen, den Positronen, zur Kollision gebracht. Die rund 2000mal leichteren Elektronen/Positronen dringen dabei wie Sonden tief in das Proton ein und werden an den Quarks inelastisch gestreut. Wie die Wissenschaftler erklären, geschieht das entweder über die elektromagnetische oder über die schwache Kern-Kraft, die zusammen mit der starken Kern-Kraft und der Gravitation das Quartett der fundamentalen Kräfte der Natur bilden. Beobachtet und registriert hat man die Kollisionsereignisse mit den Detektoren H1 und ZEUS, zwei hausgroßen Vielzweck-Detektoren am Speicherring.
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Graphik: DESY
Fasst man die Ergebnisse zusammen, so konnten die Forscher zeigen, dass das Innenleben des Protons wesentlich komplexer ist als ursprünglich angenommen.
Es besteht nicht nur aus den drei Quarks am oberen, am linken und am rechten Rand des Bildes, die von den als Federn dargestellten Gluonen zusammengehalten werden, vielmehr gleicht es einer brodelnden Teilchensuppe. Zudem erzeugen dort Gluonen fortwährend weitere Gluonen, und es bilden sich Quark-Antiquark-Paare, die sofort wieder zerfallen. Das ganze Geschehen wird umso turbulenter, je höher die Energie der beiden stoßenden Teilchen ist. Man könnte es vergleichen mit der kurz nach dem Urknall vorherrschenden Quark-Gluonen-Suppe.
Schließlich konnten die Wissenschaftler anhand der Detektordaten sogar zeigen, dass sich mit zunehmender Kollisionsenergie die beiden Kräfte – elektromagnetische und schwache Kernkraft – immer ähnlicher werden und sich letztlich völlig gleich verhalten. Die Physiker werten das als deutlichen Hinweis für die Richtigkeit der Theorie, dass bei den sehr hohen Energien des frühen Universums die beiden Kräfte in der elektroschwachen Kraft vereinheitlicht waren.
Jörn Müller (24. Juli 2015)
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