Gravitationswellen – Kann man sie nachweisen?
Einstein hatte schon kurz nach der Veröffentlichung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie 1915 darauf hingewiesen, dass die Raumzeit, unter gewissen Umständen in Schwingungen geraten kann. Ähnlich wie ein in das Wasser geworfener Stein nach allen Seiten auslaufende Wellen entstehen lässt, müssen nach Einsteins Vorstellung beschleunigte Massen sogenannte Gravitationswellen hervorrufen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit durch das All fortpflanzen. Als Quellen für Gravitationswellen kommen insbesondere um ihren Massenschwerpunkt rotierende, massereiche Doppel- oder Neutronensterne, Supernovaexplosionen, der Zusammenstoß Schwarzer Löcher, aber auch der Urknall selbst in Frage. Sollte es also gelingen Gravitationswellen nachzuweisen, so wäre dies eine weitere, phantastische Bestätigung Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Aber nicht nur das: Mit den Gravitationswellen würde sich auch ein neues Fenster für einen Einblick tief in die Frühzeit unseres Universums auftun, vielleicht sogar bis in die Nähe des Urknalls.
Dass Gravitationswellen, falls es sie denn gibt, so schwer nachzuweisen sind, liegt daran, dass der Effekt beim Durchgang einer Welle so winzig ist. Die relative Längenänderung, welche eine Gravitationswelle verursacht, beträgt etwa 10-21, auch wenn sie von einer starken Quelle ausgeht. Demnach würde ein Stab von einem Kilometer Länge durch eine Gravitationswelle nur um ein Tausendstel des Durchmessers eines Protons gestaucht bzw. gestreckt! Derart geringe Längenänderungen nachzuweisen stellt Experimentalphysiker vor enorme Probleme. Selbst kaum wahrnehmbare Erschütterungen der Messapparatur können den durch eine Gravitationswelle verursachten Effekt überdecken.
Die ersten Versuche zum Nachweis von Gravitationswellen gehen auf den Physiker Joseph Weber in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zurück. Mit Aluminiumzylindern von ein bis zwei Metern Länge, wollte er die durch Gravitationswellen verursachten Schwingungen dieser Probekörper nachweisen. Zwar glaubte Weber Signale von Gravitationswellen empfangen zu haben, aber seine Messungen konnten von niemandem reproduziert werden. Vermutlich waren die Schwingungen durch Störquellen in der Umgebung verursacht. Bessere Resultate erhoffte man sich von zwei anderen Einrichtungen: dem Gravitationswellenobservatorium LIGO und dem Gravitationswellendetektor GEO600. Die 2002 in Betrieb genommen LIGO-Detektoren, einer in Hanford, USA, der andere in Livingston, USA, bestehen aus zwei im rechten Winkel zueinander angeordneten Vakuumröhren von je zwei bzw. vier Kilometern Länge.
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LIGO Hanford, USA Armlänge zwei Kilometer
(Quelle: https://www.ligo.org/multimedia/gallery/lho-images/Aerial5.jpg)
Im Inneren der Röhren reflektieren an den Röhrenenden angebrachte Spiegel das von einem Laser im Schnittpunkt der beiden Röhren ausgehende Licht zurück zu einem Laserinterferometer. Theoretisch sollte LIGO Längenänderungen der Röhren von einem Tausendstel eines Protonendurchmessers detektieren können. Dennoch ist es bisher nicht gelungen Gravitationswellen eindeutig nachzuweisen.Gleiches gilt für GEO600, einem Detektor in Ruthe bei Hannover, der über zwei je 600 Meter lange Vakuumröhren verfügt. Auch hier wird die Längenänderung mit Hilfe eines Laserinterferometers gemessen. Mit ΔL / L = 10-21 ist die relative Empfindlichkeit des Detektors ähnlich groß wie bei dem LIGO-Experiment.
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GEO600 in Ruthe, BRD Armlänge je 600 Meter
(Quelle: www.geo600.uni-hannover.de/geo600/site/pictures/bild9.jpg)
In der Hoffnung in absehbarer Zeit mit diesen Apparaturen doch noch Gravitationswellen nachweisen zu können, wird gegenwärtig daran gearbeitet die Empfindlichkeit der beiden Systeme weiter zu steigern und die Detektoren vor allem von störenden Umwelteinflüssen noch besser abzuschirmen.
Neben diesen Detektoren suchen auch noch die japanischen Detektoren KAGRA und TAMA300 und der französische Detektor VIRGO nach Gravitationswellen. Auf eine detaillierte Beschreibung wollen wir hier jedoch verzichten.
Alle bisher erwähnten Detektoren sind erdgebunden und „leiden“ daher unter den Beeinträchtigungen durch ihre Umgebung. Ein im All stationiertes Observatorium wäre zumindest von „irdischen“ Erschütterungen nicht betroffen.
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Satellitendreieck des eLISA Gravitationswellenobservatoriums
(Quelle: https://www.projectcollision.com/index.php?page=inSpace)
Bei dem von der ESA geplanten eLISA-Observatorium (evolved Laser Interferometer Space Antenna), dessen Start für 2034 vorgesehen ist, handelt es sich um ein im Weltraum stationiertes Laboratorium. eLISA soll aus drei Satelliten bestehen, die ein gleichseitiges Dreieck mit einer Seitenlänge von rund einem Kilometer aufspannen. In jedem der Satelliten befinden sich zwei schwerelos schwebende Testmassen. Je eine Testmasse in einem Satelliten, ist mit einer Testmasse in einem der anderen Satelliten über ein Laserinterferometer gekoppelt. Damit wird es möglich den gegenseitigen Abstand der Satelliten zu überwachen und konstant zu halten. Das gesamte System soll der Erde im Abstand von circa 50 Millionen Kilometern auf ihrer Bahn um die Sonne folgen.
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Läuft eine Gravitationswelle durch das System, so ändert sich der Abstand zwischen den interferometrisch gekoppelten Testmassen. Abstandsänderungen bis zu 10-12 Metern, entsprechend dem Durchmesser eines Wasserstoffatoms, sollen noch messbar sein. Um sicher zu stellen, dass sich die Testmassen auch auf Geodäten, das heißt im freien Fall, durch den Raum bewegen, müssen auf die Satelliten einwirkende, nicht auf die Gravitation beruhende Kräfte kompensiert werden. Ursachen dieser Kräfte sind insbesondere die Satelliten treffende Moleküle der Erdatmosphäre und die Partikel des Sonnenwindes, sowie der Druck der Photonen des Sonnenlichts. Mit speziellen Sensoren sollen die durch diese Kräfte verursachten Verschiebungen des Satellitengehäuses gegen die Testmassen gemessen und mit Hilfe kleiner Steuerdüsen rückgängig gemacht werden. Das unter der Adresse https://www.youtube.com/watch?v=VMVQBRC5FjQ abrufbare Video veranschaulicht das Funktionsprinzip.
Mit dem Modul LISA-Pathfinder, das am 3. Dezember um 05:04 MEZ vom Weltraumbahnhof Kourou mit einer Vega-Rakete gestartet wurde, will die ESA die Technologie der eLISA-Mission überprüfen. Als Testmassen dienen dem Satelliten zwei 46 Millimeter große, im Abstand von 38 Zentimetern in Vakuumkammern untergebrachte Gold-Platin-Würfel. Mit an Bord ist auch ein extrem empfindliches Laser-Interferometer zur Abstandsmessung. LISA-Pathfinder soll insbesondere die Funktionalität der Inertialsensoren zur Messung der Positionen der Testmassen relativ zum Satelliten, des Laserinterferometers, des Kontrollsystem zur Steuerung der Kompensation von Störkräften und der Micro-Steuerdüsen überprüfen.
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Der Satellit LISA-Pathfinder
(Quelle: https://www.elisascience.org/files/imagecache/fullview/images/LPF01.jpg)
Nach dem Start wird der Satellit zunächst auf zunehmend elliptischen Bahnen die Erde umrunden und dann seinen „Arbeitsplatz“, den rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde in Richtung Sonne entfernten Lagrangepunkt L1 ansteuern.
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Acht Wochen soll die Reise dauern. Ab dem ersten März 2016 soll dann die eigentliche, sechs Monate lange Testphase beginnen. Die ersten Ergebnisse erwarten die ESA-Techniker aber schon drei Monate nach Testbeginn. Verlaufen alle Tests positiv, dann sollte dem Bau des eLISA-Observatoriums nichts mehr im Wege stehen, es sei denn das Budget wird, wie bei anderen Projekten schon erlebt, wieder einmal zusammengestrichen.
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