Eigentlich wollte ich die Spekulationen um einen neunten Planeten nicht als Newsbeitrag aufgreifen, aber mittlerweile erreichen mich derart viele Nachfragen, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt.
Leider wird es immer mehr zur Mode in der Wissenschaft, dass man vorschnell mit „Sensationen“ an die Öffentlichkeit geht, lange bevor ein signifikanter Nachweis geführt wurde. Auf diese Weise wird Wissenschaft immer mehr zu Hollywood. Wollen wir also hoffen, dass sich Planet Neun nicht in die jüngere Liste wissenschaftlicher Schnellschüsse einreiht.
Aber der Reihe nach:
Jenseits der Neptunbahn drehen eine Reihe interessanter Objekte ihre Runden. Man nennt diese Zwergplaneten und Kleinkörper „Transneptunische Objekte“ (TNOs).
Maßstabsgerechte, künstlerische Darstellung ausgewählter Zwergplaneten und Kleinkörper jenseits der Neptunbahn. Pluto ist der größte und Eris der massereichste Zwergplanet. Haumea wiederum rotiert mit weniger als vier Stunden um ihre Achse, wodurch ihr Poldurchmesser nur den halben Äquatordurchmesser beträgt.
Allgemein versteht man unter einem Zwergplaneten ein sonnengebundenes Objekt, das aufgrund seiner Gravitation eine kugelähnliche Oberfläche annimmt. Die Abgrenzung zu Planeten erfolgt danach, ob das Objekt dominant ist auf seiner Umlaufbahn, d. h. ob es sie weitgehend von anderen Objekten befreit hat. Derzeit entsprechen fünf Objekte dieser Definition eines Zwergplaneten: Ceres im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, sowie die abgebildeten Objekte Pluto, Eris, Makemake und Haumea. Wiederum eine Klasse darunter befinden sich die Kleinkörper, deren Masse nicht für eine kugelähnliche Oberfläche ausreicht. Die Zuordnung von Sedna ist noch umstritten – eventuell wird sie aufgrund ihrer extremen Umlaufbahn eine eigene Klasse begründen. Ihr Aphel ist 20,5-mal weiter von der Sonne entfernt als der äußerste Punkt der Plutobahn. Das entspricht einer Entfernung von fünf Lichttagen. Das liegt bereits außerhalb des sogenannten Kuipergürtels, einer nach Gerald Kuiper benannten, ringförmigen Region, jenseits der Neptunbahn, die hunderttausende von Objekten, viele davon größer als 100 Kilometer, beheimatet. Ein Drittel dieser sogenannten Kuiper Belt Objects (KBOs) befindet sich auf resonanten Bahnen zu Neptun und wird dadurch stabilisiert. Werden sie gestört, entstehen zumeist kurzperiodische Kometen mit einer Umlaufdauer von weniger als 200 Jahren. Die KBOs bilden wiederum eine Untergruppe der transneptunischen Objekte (TNOs).
Was genau haben die Kollegen am Caltech in Pasadena nun herausgefunden?
Setzt man eine Computersimulation auf mit den sechs dominantesten Objekten des Kuipergürtels, so zeigt sich folgende Merkwürdigkeit: Die Ausrichtung ihrer Umlaufbahnen ist nicht zufällig verteilt, sondern weist eine klare Vorzugsrichtung auf. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre – gewissermaßen als Gegenpol – eine gedachte schwere Masse, die sich gegenläufig auf einer stark elliptischen Umlaufbahn bewegt. Fügt man dieses hypothetische Objekt mit rund 10 Erdmassen und Umlaufzeiten zwischen 10.000 und 20.000 Jahren in die Simulation ein, zeigen die Keplerbahnen der Objekte die gewünschten Eigenschaften.
Das war´s schon - das ist die Sensation „Planet Neun“. Ich würde also vorschlagen, wir besinnen uns darauf, dass es wissenschaftliche Standards gibt und warten belastbare Daten ab, bevor wir uns Gedanken darüber machen, wie wir das hypothetische neue Objekt nennen sollen. Das Subaru-Teleskop auf Hawaii hat die Fahndung aufgenommen – ein Objekt mit zwei bis vier Erdradien, 20-mal weiter entfernt als der Neptun, stellt allerdings eine Herausforderung dar.
Drücken wir den Kollegen die Daumen…
Josef M. Gaßner (24. Jan. 2016)
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